Pfarrer A. Zemke

In den dreißiger Jahren war unserer Kirchengemeinde Vikar A. Zemke zugeteilt. Ausbildungspfarrer war Pfarrer Heckenroth, wohnhaft in der Frankfurter Straße. Nach seiner Ordination wurde Zemke Pfarrer im Hilfsdienst und Pfarrer in Altenkirchen, Inhaber der vormaligen lutherischen Pfarrstelle. Dann brach der 2. Weltkrieg aus. Das Konsistorium in Düsseldorf bearbeitete die Beurlaubungen der Pfarrer, d.h. die UK-Stellungen.

Am 16. Juni 1941 ging folgender Bericht beim Superintendenten in Altenkirchen ein „Einen Antrag auf UK-Stellung des Pfarrers Zemke in Altenkirchen halten wir für aussichtslos; er würde die Befürwortung des Herrn Reichsministers nicht finden, die jedoch deshalb erforderlich wäre, weil Zemke dem Jahrgang 1910 angehöre. Aus den 15 Pfarreien des dortigen Kirchenkreises sind nur 3 Pfarrer - eine verhältnismäßig geringe Zahl - zur Wehrmacht einberufen, darunter je einer aus den Kirchengemeinden Altenkirchen und Hamm, für deren Versorgung 2 Pfarrstellen vorgesehen sind. Da es sich in beiden Fällen um Gemeinden von 5.000 Seelen handelt, muss die Versorgung in den heutigen Kriegsverhältnissen durch einen Pfarrer erfolgen können. Die Erkrankung des Pfarrer Korst in Hilgenroth, einer Gemeinde von etwa 1.500 Seelen, kann kein Grund für die Beurlaubung des Pfarrers Zemke sein; dessen Vertretung wird in anderer Weise geregelt werden müssen etc.“

Pfarrer Maas wusste nach obiger Verfügung nichts anderes zu tun, als die vorgeschlagenen Vertretungen am 01.07.1941 einzurichten und zu übernehmen (beglaubigt von Pfarrer Maas am 02. Juli 1941). Der stellvertretende Superintendent war Pfarrer H. Brinken, Hamm/Sieg.

Inzwischen war Zemke Soldat im Mittelabschnitt der deutschen Truppen, glaubte man an ein schnelles siegreiches Ende des Krieges. Mitte Oktober aber begann die Schlacht vor Moskau, und Stalin hatte den vaterländischen Krieg erklärt. Bei Naro-Fominsky schlugen die Sowjets zurück; in einem schweren Abwehrkampf um Tod oder Leben „jeder gegen jeden“ setzte der Winter ein, der „stärkste Feind“, dem die deutschen Truppen nach Westen ausweichen mussten. Am 1. Dezember morgens fielen Oberschütze Heiden und Schütze Zemke. Vorher am 15. November 1941 hatte der Pfarrer seiner Gemeinde Weihnachtsgrüße übersandt.


Im Felde, den 15. Nov. 1941
Liebe Gemeinde, sehr verehrte Herren des Presbyteriums, lieber Herr Kollege!

Aus einem Schützenloch der vordersten Linie vor Moskau sende ich Ihnen diesen Gruß und Segenswunsch zum diesjährigen Christfest. Der Tod geht hier bei uns um im unaufhörlichen Pfeifen der Granaten. In ruhigen Augenblicken aber liegt eine feindselige harte Trostlosigkeit auf diesem Land, in welches sich die Wehrmacht trotz scharfen Winters festkrallt, um von der Heimat eine tödliche Gefahr abzuwenden. Dazu liegen wir einem Gegner gegenüber, dessen fanatisch zähe Truppen eher als Menschen ein Abbild des Teufels sind in ihrer Handlungsweise an unseren Verwundeten, denn ein Ebenbild Gottes.
So fehlt bei uns zwar jede vorweihnachtliche Stimmung, aber umso mehr begreifen wir in dieser harten Umgebung das Wunder der göttlichen Botschaft. „Siehe, ich verkündige Euch große Freude.“

Was dieser Menschheit helfen soll, kann keine menschliche Erfindung sein, sondern muss Gottes eisernes machtvolles Wort an uns sein. Es muss ferner eine Freude schaffen, die nicht nur leichte Zerstreuung ist, sondern erlösende ewig gültige Wahrheit von einer unbegreiflichen göttlichen Liebestat: „Euch ist heute der Heiland geboren“.

Möchte Gott Ihnen in der Heimat ebenso zur leuchtenden Lebensgrundlage werden, wie sie uns hier zu einer großen Freude wird vor dem überall lauernden Tod.
In herzlichen Gedenken grüßt Sie

Ihr A. Zemke Pfr.

Aus einem Kriegstagebuch:


Wer in Naro-Fominsk gekämpft hat, konnte nicht annehmen, der Stadt wieder heil zu entkommen. Am 15. Dezember erfuhren wir zum erstenmal, dass man die Stadt (Fominsk) aufgeben will. In einigen stabilen Steinhäusern fühlten wir uns einigermaßen sicher und verlebten die Adventszeit. Der Russe fühlte immer stärker gegen unsere Linie. So quälten wir uns durch mit der Hoffnung, Weihnachten, zumindest aber Sylvester in Ruhe zu liegen. Aber alles kam anders. In der Weihnachtsnacht vom 25./26.12. gaben wir die Stadt auf, nachts um 2 Uhr bei eisiger Kälte und heftigem Schneesturm. Zwei Offiziere und 6 Mannschaften haben bis zuletzt durchgestanden.



Von dem Angriff über die Nara sind damals blutigste Verluste gemeldet worden. Alfred Kurt Zemke muss darunter sehr gelitten haben. „In die Erde reinzukommen, war bei diesem russischen Winter besonders mühsam.“ Dann kam 1 Jahr später „Stalingrad“ - Wer mag das heute nach über 60 Jahren noch erkennen und beurteilen!

Heinz Krämer